08.09.2008 HypoVereinsbank-Studie zur Energieversorgung im 21. Jahrhundert

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© Jac-Uwe Otto, aerogieSOLAR
Der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Stromerzeugung wächst stärker als noch im November 2007 prognostiziert. Deshalb haben die HypoVereinsbank (HVB) und das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) in der zweiten Auflage ihrer Studie "Power für Deutschland – Energieversorgung im 21. Jahrhundert" ihre Prognose für die durch den Ausstieg aus der Kernenergie mögliche Stromlücke von 16,5 Prozent auf 15,5 Prozent nach unten revidiert. Erneuerbare Energien werden im Energie-Szenario 2020 den Ausfall an Stromerzeugung also stärker kompensieren als erwartet.
Allein der Anteil des mit Windenergie erzeugten Stroms hat sich von fünf Prozent in 2006 auf 6,5 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. Der Einsatz neuer Gas- und Kohle-Kraftwerke mit CO2-Abscheidung als Brückentechnologie sei jedoch nicht zu umgehen, um die nach wie vor erhebliche Deckungslücke von 15,5 Prozent schließen zu können, so der Tenor der Studie.

In der neuen Prognose für das Jahr 2020 wird auch die Anzahl der Beschäftigten im Bereich Windenergie, Photovoltaik und Biomasse von 466.000 auf 470.000 Menschen nach oben revidiert. 2007 waren hier 220.000 Beschäftigte tätig (2006: 187.000). Das bis 2020 prognostizierte Investitionsvolumen liegt bei 87 Milliarden Euro, so ein weiteres Ergebnis der Studie von HWWI und HypoVereinsbank.
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Windenergie: Prognose für Anteil an der Gesamtstromproduktion erhöht

Angesichts der explodierenden Preise für Öl und Gas hat Bundesbauminister Tiefensee kürzlich mit einem Raumordnungsplan den Weg für den Bau von bis zu 30 Offshore-Windparks (Windkraftanlagen auf See) freigemacht, um bis zum Jahr 2030 zusätzlich 25.000 Megawatt Windstrom zu erzeugen. Die Studie von HVB und HWWI weist allerdings auf die noch vielfältigen Probleme u.a. bei der Technik, bei der Netzanbindung und bei Versicherungsfragen hin.

Die mit Hilfe des Windes erzeugte Strommenge soll nach einer Prognose des Bundesumweltministeriums bis 2020 um 165 Prozent steigen. Windkraft wird im Jahr 2020 einen Anteil von 13,6 Prozent an der gesamten deutschen Stromproduktion erreichen, heute sind es 6,5 Prozent. "Auch hier haben wir unsere Prognose für 2020 nach oben revidiert", sagte Lutz Diederichs, Leiter der Firmenkunden Divison der HVB. "Im November letzten Jahres lag dieser Prognosewert für 2020 erst bei zwölf Prozent."

"Wir haben auf Basis dieser Prognose im Energie-Szenario 2020 ein Investitionsvolumen von 35 Milliarden Euro errechnet", sagte Dr. Michael Bräuninger vom HWWI. Davon entfallen rund 25 Milliarden auf den Aufbau von Offshore-Anlagen. Die Beschäftigtenzahl wird bis 2020 in dieser Branche von 84.000 auf fast 180.000 wachsen.

Biomasse: Jeder Misthaufen eine Primärenergiequelle

Der Anteil von Biomasse an der Energiegewinnung aus regenerativen Energien hat sich von 2006 auf 2007 von 23 Prozent auf fast 25 Prozent erhöht und sich damit an der Wasserkraft vorbei hinter der Windkraft auf Platz zwei vorgeschoben. Von 2006 auf 2007 erhöhte sich hier die Stromproduktion um rund 50 Prozent. Die Stromerzeugung aus Biomasse und Wasserkraft ist gleichermaßen grundlastfähig und damit für die zukünftige Stromversorgung von besonderer Bedeutung.

Zurzeit werden rund 3,2 Prozent des Stromverbrauchs aus Biomasse (2006: 2,2 Prozent) gedeckt; im korrigierten Energie-Szenario 2020 werden es bereits 5,6 Prozent sein (Prognose von 2007: 5,1 Prozent). Auch die volkswirtschaftlichen Effekte bei Beschäftigung und Investitionstätigkeit sind beachtlich. So wird die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich von heute 96.000 auf 168.000 im Jahr 2020 steigen. Das prognostizierte Investitionsvolumen wird mit 20 Milliarden Euro beziffert.

Allerdings ist der Rohstoff Biomasse nicht frei verfügbar und steht wie Wind oder Sonne nicht kostenlos zur Verfügung. Darüber hinaus steht die landwirtschaftliche Produktion von biomassefähigen Pflanzen in gewisser Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Dies sehen Experten allerdings für Deutschland nicht als Problem an. Allein 7,5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche liegen derzeit brach. Nimmt man eine höhere Flächeneffizienz beim Nahrungsmittelanbau hinzu, stünden für den Anbau von Biomasse rund 4,5 Millionen Hektar zur Verfügung; genutzt werden derzeit nur rund 350.000 Hektar.

Photovoltaik: Beachtlicher Zuwachs bei der Beschäftigung – Prognose für 2020 deutlich erhöht

Die Stromerzeugung durch Photovoltaik (Sonnenenergie) hat sich in den Jahren 2004 bis 2007 versechsfacht. Allerdings lag ihr Anteil an der gesamten Stromproduktion 2007 nur bei 0,5 Prozent. Im Energie-Szenario 2020 wird der Anteil an der Deckung des deutschen Stromverbrauch von 1,3 Prozent auf 1,5 Prozent nach oben korrigiert. Angesichts der deutschen Vorreiterrolle bei der Entwicklung modernster Solartechnologie ist hier ein Exportschlager mit beachtlichen Beschäftigungs- und Investitionseffekten entstanden. Die Exportquote stieg 2007 auf 43 Prozent. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Beschäftigten auf rund 40.000, das ist fast eine Verdoppelung seit 2006 (21.450 Personen). Bis 2020 wird sich die Beschäftigtenzahl auf 122.700 verdreifachen. Damit wurde auch diese Prognose vom November 2007 (96.000) deutlich nach oben korrigiert. Das Investitionsvolumen wird 32 Milliarden Euro erreichen und liegt damit in einer der Windenergie vergleichbaren Größenordnung.

Grundlagen des Energie-Szenarios 2020: Planmäßiger Ausstieg aus der Kernenergie und BIP-Wachstum von 2,5 Prozent

Das Energie-Szenario 2020 unterstellt, dass die deutschen Kernkraftwerke nach dem beschlossenen Fahrplan abgeschaltet werden und dass der massive Ausbau erneuerbarer Energien - wie im August 2007 in den Meseberger Beschlüssen von der Bundesregierung formuliert - umgesetzt wird. Das bedeutet, dass bis 2020 rund 25 bis 30 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt wird. Im Energie-Szenario 2020 wird zugrunde gelegt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) jährlich real um 2,5 Prozent steigt, während die Stromintensität - Stromaufwand pro Produktionseinheit - jährlich um zwei Prozent zurückgeht. Der Stromverbrauch wächst damit jährlich nur um 0,5 Prozent, so dass in diesem Szenario schon deutliche Effekte aus Maßnahmen zur besseren Energieeffizienz einbezogen wurden.

Quelle: UmweltDialog 2008